Die Beitragsbemessungsgrenze wird ab 2024 wieder einmal leicht erhöht. Und wieder mal stellt sich mir die Frage: Warum gibt es die überhaupt?
Die Grenze höher anzusetzen (oder - ohgott die armen Millionäre! - bloß nicht anzutasten) fordern erwartbar verschiedene Parteien. Bis auf Die Linke [1, 2] scheint allerdings niemand darüber nachzudenken, diese tatsächlich einfach abzuschaffen. 2016 gab es die Idee, feministisch gedacht, mal aus der Richtung einer SPD-Familienministerin, innerhalb der Partei gab aufgrund von Sorgen um entsprechend steigende Rentenbeiträge allerdings genug Gegenwind um die Überlegung wohl gleich ganz zu begraben und sich mit der jährlichen Anpassung zu begnügen, die wohl gerade ein kleines Stückchen besser ist, als nichts zu tun und durch Inflation und Lohnentwicklung immer weitere Teile der Arbeitnehmer:innen hineinrutschen zu lassen. Durch die Schonung der Sozialversicherungsbeiträge bei den reichsten Prozent unserer Gesellschaft entgeht dem Staat dabei in Zeiten von Einsparungsnöten an allen Ecken wahrscheinlich immense Summen, die anderswo investiert gehören. Das sorgt bei mir für Kopfschütteln.
Ich glaube: Wenn mehr Menschen wüssten, dass diese Grenze existiert und wie sie funktioniert, müsste es eigentlich mehr Gegenwind dagegen geben, anders kann ich mir das nicht erklären. Im Kern halte ich sie für einen fundamental unfairen Mechanismus, der im besten Fall dazu dient, sich politisch den Allerreichsten unserer Bevölkerung anzubiedern, um diese bloß nicht verhältnismäßig zu belasten wie den Rest.
Wie ist eure Meinung dazu? Gibt es Aspekte, die tatsächlich für die Grenze sprechen, oder was soll das ganze eigentlich?
Gerne abschaffen, aber:das wird nicht einfach.
Zur krnakenkasse: hier müsste das private System abgeschafft werden, sonst wechselst jetzt noch wer kann, und dann bringt die erhöhung nix.
Zur rentenkasse: hier sollte es mMn perspektivisch ein System geben in das jeder einzahlt, sowohl Beamter, als auch selbstständiger oder privatier. Wenn man hier die Grenze direkt abschafft führt das auch zu bis zu 10% mehr Gehalt bei top verdienern, das wird ordentlich Gegenwind aus der Wirtschaft geben.
Allerdings könnte man dann bei beiden Systemen die Sätze verringern, das sollte auch zur Akzeptanz beitragen.
Und das wären beides gleich aus mehreren Gründen gute Veränderungen im Sinne der Versorgungsgerechtigkeit. Ich stimme zu, dass für eine solche Veränderung viel politischer Wille nötig wäre, auch wenn man sinnvollerweise alles gemeinsam umstellen müsste - aber in der Sache wäre es meiner Meinung nach schon richtig, auch nur eines davon umzusetzen, und daher verstehe ich nicht, dass es darüber so gar keinen gesellschaftlichen Dialog zu geben scheint.
Meinst du die Rentenbeiträge? Die Gehälter würden sich nicht verändern - der Nettolohn eher sinken. Oder missverstehe ich, was du meinst?
Denn das stimmt schon, höhere Rentenkassenbeiträge würden auch zu höheren Ansprüchen führen, d.h. die ultrareichen hätten auch entsprechend hohe Renten - mehr ausschütten als eingenommen wird müsste der Staat aber auch nicht. Und auch hier ließe sich mittelfristig sicher ein gerechteres System finden. Unterm Strich haben Milliardäre in der Rente sicher so oder so keine Geldsorgen, da sie aktuell ja easy anderweitig vorsorgen können, auch wenn ihre Renten nicht verhältnismäßig zum Lohn berechnet werden. Die Einsparnisse aus der Beitragsbemessungsgrenze, wie auch sonst alles was sie zum Leben eigentlich gar nicht brauchen, können die risikofrei investieren und vervielfachen. Das ist ein Mechanismus der Wertschöpfung, die wir ihnen nicht nehmen können, auch nicht mit einer Bemessungsgrenze.
Doch 10% mehr Brutto Lohn wegen der Rente Beiträge, genauer meine ich das Arbeitgeberbrutto. Die Rente Beiträge von 19,6% (Zahl aus dem Kopf bin mir nciht sicher), werden ja halb-halb von Arbeiter und Firma getragen. Das verschleiert die Kosten etwas.
Also wenn du zu 4000 Brutto angestellt bist fließen grob 400 von dir in die Rentenkasse, die firma legt aber nochmal 400 drauf, dein richtiges Arbeitgeberbrutto liegt also höher.
Aber ja, auch das netto der hochverdiener würde sinken.
Die Kosten für die Arbeitgeber würden steigen, aber eben nur genau bis zu dem Punkt, wo es eine Gesellschaft, die nach dem Solidaritätsprinzip arbeitet, vorsehen müsste. Aus der anderen Perspektive gedacht sparen gegenwärtig nämlich die Unternehmen von den Bezieher:innen exorbitant hoher Gehälter, aus irgendeinem unerfindlichen Grund, einen Teil der fairerweise zu fordernden Beiträge. Genau das will ich ja abschaffen.
Klar, ich fände es wie gesagt ohne Grenze auch besser. Ich wollte nur aufzeigen was alles politisch im Weg steht.
Und ich denke auch dass eine höhere Beitragsbenessungsgrenze es erlauben würde die rentenbeiträge zu senken obwohl man weiter das gleiche Renten niveau hält (und die top verdiener trotzdem höhere Ansprüche erwirken).
Ich bräuchte länger das zu erklären, aber hier die grobe Idee:
Wenn die Schere zwischen gut und schlecht verdienen weiter auseinander geht (wie es die letzten Jahre passiert ist), so steigen - wegen der Beitragsbenessungsgrenze - die Beiträge zur Rentenkasse langsamer als die allgemeine Lohnentwicklung. Dadurch sinkt auf Dauer das rentenniveau.