Nach 14 Jahren kommen wieder Hansa-Fans ans Millerntor. Das ist etwas Besonderes, auch weil sich ausgerechnet wir vor langer Zeit mal intern zofften, um das Solidarisch-zeigen mit eben diesen.
Ich habe in meinem Blog einen Beitrag gefunden, den ich vielleicht auch mal in meinem Podcast vorlese … (bin da dank @toby ja nu auf den Geschmack gekommen 😀
“Deutsche, kauft Deutsche Bananen!”
-Kurt Tucholsky-
Ich habe die Wende in Lüneburg miterlebt. Als damals dort Studierender war das schon eine merkwürdige Situation, mitzuerleben, wie die Bürger Lüneburgs Tüten mit Bananen und Klementinen an die Wartburgs und Trabbis hängten, in guter Absicht, aber auch aus einer Postion des Gebenden heraus, die ja auch in anderen Ländern teilweise schlecht ankommt, wenn wir Deutschen bspw. Afrikaner mit unserer Entwicklungshilfe beglücken.
An diese Erfahrung habe ich lange nicht mehr gedacht – und es wäre den Fans von Hansa Rostock gelungen, mich satirisch zu beeindrucken, wären die Bananen das einzige gewesen, das unseren Auswärts fahrenden St. Paulianern und Boys in Brown sich entgegenwarf. Der Hass aber, der aus dem verrotteten Rumpf dieser Gesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern den Unsrigen entgegenflog, war dann aber in seiner demaskierenden Wirkung gräßlich eindeutig: Bereits auf Höhe Schwerin berichteten Twitterer im Zug, dass der Sonderzug, der zuvor friedlich Hamburg-Altona, die Stadt der Freiheit, verlassen hatte, mit Steinen angegriffen wurde, in Rostock wurden dann die Fans des FC St. Pauli mit hundertfachem Deutschen Gruß zum Stadion begleitet. Der Fuckfinger, gerne auch als Andeutung schwulen Geschlechtsverkehres gegeneinander gezeigt, war dann noch die harmloseste Zurschaustellung des dumpfen Frustes auf den vermeintlichen Feind.
Ich saß in meiner Küche und verfolgte das Spiel am AFM Webradio, vernahm Wolfs Berichte über verbrannte FCSP-Fahnen und Bananen, die auf das Spielfeld flogen. Als dann nach dem Führungstreffer durch Max Kruse, und unserem Freudenfeuer im Block seine Stimme sich fast überschlug vor Entsetzen, konnte ich es kaum glauben: Leuchtspurgeschosse, Raketen und Böller, insgesamt wohl acht Stück, flogen in unseren Block, und brannten dort weiter. Puh, sagte meine Tochter dann, ein Glück Papa, dass Du heute zu meinem Konzert in die Musikhalle kommst, und nicht nach Rostock fahren musstest.
Das Spiel hörte ich dann an der Bushaltestelle weiter, als es nach 13 Minuten Unterbrechung und der Halbzeitpause wiederangepfiffen wurde. Die Musikhalle füllte sich langsam und die Berichte aus Rostock wurden sportlicher, aber nicht erfreulicher. Ausgleich durch Rostock. „Keine Angst, St. Pauli schiesst noch zwei Tore, sagte meine Mutter neben mir, und zeigte mit ihren Händen an die Decke. Die 80. (Schlüsselszene mit Banane) und 91. Minute klingelte es dann auch im Rostocker Tor, und zeitlich entsprachen sie dem ersten und zweiten Läuten zum Beginn des Konzertes. Ich konnte mich entspannt der Musik hingeben, immer beeindruckt von der Diskrepanz, die zwischen diesen beiden Orten herrschte. Der Musikhalle, einen Steinwurf vom Millerntor entfernt, wo unsere Kinder wundervolle Emotionen weckten, mit wundervoller Musik; und dem Ostseestadion mit seinem dunklen Hass. Dass unser Fanblock diesen Hass mit Gesang beantwortete, sich dergleichen Macht bediente, wie wir, das erfuhr ich erst später, machte mich aber sehr fröhlich und stolz.
Am späten Nachmittag fanden sich dann bereits einzelne Videozeugnisse auf Youtube, von Rostockern eingestellt, die den schlimmsten Teil des Rostocker Anhangs zeigten, den johlenden, und die Gefährlichkeit der Angriffes erst dokumentierten. Erst jetzt verband sich das Gehörte mit den Bilder von 1992, als in Lichtenhagen die Menge Gewalt-trunken gröhlte, so wie der überwiegende Teil des Rostocker Anhangs am Sonnabend wieder.
Am frühen Abend erreichten dann die meisten Braun-weissen den Altonaer Bahnhof, immer noch singend: “Wir sind schwule Antifa-Module”
… und in Rostock?
Hansa-Trainer Peter Vollmann verzweifelt: „Zehn Mio Euro Strafe oder eine Saison Geisterspiele – es ändert nichts, es ist aussichtslos.“
Eine ganze Region zerlegt sich selbst und entgleitet dem Boden des Grundgesetzes. Die geistig-moralischen Brandstifter haben ganze Arbeit geleistet. Das verrottete Rostock ist aufgebrochen und stinkt uns nun allen ins Gesicht. Vielleicht eine letzte Gelegenheit, die allerdings voraussetzt, dass die Raltivierer in Medien, Politik und auch unserem Präsidium ganz klar Haltung zeigen. Das Gleichsetzen von bengalischen Feuern bspw. und dem Raketenangriff aus dem Hansa-Block ist da schlimme Ausprägung eines ritualisierten Einseits-Andererseits. Ein Nicht-beachtenwollen, das erfeulicherweise und ausgerechnet die BILD-Zeitung heute morgen aufgebrochen hat:
Hansa-Chaoten schossen gezielt Raketen in den vollen Gästeblock. Glück, dass es keine Verletzten gab.? Ganz übel: Tausende Zuschauer im Stadion bejubelten die menschenverachtenden Attacken!